When I’m 67…
04.10.2023Wie wird es mit mir im zunehmenden Alter? Wenn ich nicht mehr aktiv, produktiv und kräftemäßig zur Gemeinschaft beitragen kann? Gehöre ich trotzdem noch weiter dazu, wer sorgt notfalls für mich und vor allem: wie werde ich dann finanziell abgesichert sein?
Altersabsicherung taucht als Tagesordnungspunkt in verschiedenen Gruppen immer wieder auf Plena auf. Und wird mehrheitlich durchaus als wichtiges Anliegen konnotiert. Landet allerdings mit einem ratlosen Achselzucken überwiegend sehr schnell wieder im großen Themenspeicher, oft dann als Endlagerstätte.
Die Thematik erscheint wahlweise zu komplex, zu persönlich, noch zu weit in einer ohnehin unklaren Zukunft, für Einzelne nicht nötig, existenziell zu verbindlich und einfach ohne eine praktische Lösungsidee. Oder steht altersgemäß einfach noch nicht auf dem Zettel. Manchmal holt die Realität ein Kollektiv oder eine Hausgruppe ein, bevor sich mit der Thematik intensiver auseinander gesetzt werden und ein solidarischer Umgang gefunden werden kann. In unseren Beratungen in Gruppen werden uns Hindernisse über Hindernisse bei diesen Fragen aufgezählt. Habe ich wirklich so viel Vertrauen zu meinen aktuellen Mitstreiter*innen? Bleibe ich denn selber überhaupt dauerhaft in diesem Betrieb oder Haus? Will ich mich langfristig hier abhängig machen? Will ich ggf. um Unterstützung bitten müssen? Es machen ja sowieso nicht alle mit. Eigentlich bin ich persönlich finanziell schon durch Erbschaften o.ä. abgesichert….das mit anderen teilen?
Besonders am letzten Punkt sind sehr viele der bereits bestehenden Gemeinsamen Ökonomien schon gescheitert. Solidarische Verdienst- und Einkommensgemeinschaft sind oftmals recht gut und stabil entwickelt. Aber auch alle vorhandenen und zu erwartenden Vermögen gemeinsam teilen, dieser Schritt gelingt so gut wie nie…?
Es ist also nachvollziehbar, dass in vielen Projektgruppen dieser Themenkomplex schnell nach hinten sortiert und nicht kontinuierlich bearbeitet wird. Wenige schließen Renten-Versicherungsverträge am Finanzmarkt ab. Einige sammeln zumindest betriebliche Überschüsse als potenzielle Ressource an. Auch gibt es ein Pflegekollektiv in Gründung. Und übergreifend beschäftigt sich das Kollektiv, Care!‘ mit Pflege, Altern, Sterben, Behinderungen u.ä. immerhin ansatzweise kontinuierlich damit. Auch bei Kollektive-Treffen u.a. in Berlin, Hamburg oder zuletzt in Lübeck wird die Thematik zumindest wiederholt eingebracht.
Gerade in Kooperationen, über Gruppengrenzen hinaus, sehen wir die einzige Chance tragbare und wirksame Strukturen zu diskutieren und zu entwickeln. Der Rahmen jeder einzelnen Gruppe, ob in Häusern, Kollektiven oder Initiativen, ist zu beschränkt für so ein umfassendes, langfristiges und verlässliches Vorhaben. Die natürlichen und notwendigen Wellenschläge in unseren Kleinstrukturen stehen vom Prinzip her dagegen. Ob ökonomische, personelle, marktbedingte, politische oder finanzielle Veränderungen, sie sind zwingend zum Erhalt unserer Projekte notwendig. Müssen dadurch aber auch immer ein stückweit unkalkulierbar bleiben. Im Gegensatz zu unserem Alter, dem gehen wir verlässlich und absolut konstant entgegen. Nur ein projektübergreifender Rahmen kann diese verschiedenen Unberechenbarkeiten kompensieren. Deshalb können Initiativen, in Richtung individueller Altersabsicherung, nur von den einzelnen Menschen a u s Projektstrukturen tragfähig entwickelt werden. Und nicht von geschlossenen Gruppen. So wie es z.B. der Rentenfonds ‚Wir können auch anders’ in Berlin seit über zwei Jahrzehnten kontinuierlich praktiziert, als eine Möglichkeit.
Altwerden ist nichts für Feiglinge, so wird oft gesagt. Und die ernsthafte, solidarische, kollektive Vorbereitung darauf verlange entsprechend viel Mut…und langen Atem! Wie für so vieles in der Welt, nicht nur in der selbstverwalteten.
Willi Schwarz