Ohne Moos – nix los?
05.01.2017Den Leser_innen dieser Postille wird nicht entgangen sein, dass in den letzten Jahren zunehmend Gruppen unter dem Banner der ‚Nichtkommerzialität’ antreten. Auch diverse theoretische Texte darüber kursieren wieder einmal und mit Überzeugung unterstützen wir viele dieser Vorhaben abseits vom Geld- und Marktsystem in unserer Beratungsarbeit.
Dabei hat die politökonomische Begründung der Praxis einen erfreulich hohen Stellenwert und die Ziele und Ansprüche der Beteiligten werden sehr ambitioniert propagiert. Nicht von ungefähr widmet beispielsweise die Contraste in ihrer vorletzten Ausgabe fünf Seiten diesem Thema. Mit der Botschaft auf der Titelseite, dass dadurch die Warenideologie in ihren Grundfesten erschüttert wird und im ‚freien Fluss’ der Sprung in eine Gesellschaft jenseits von Markt und Staat gewagt wird!
Nicht nur wir hören diese Signale mit ausgesprochener Sympathie und Solidarität, wenn, ja wenn nicht die Töne in der Beratungspraxis von einem großen Teil dieser Experimente in unseren Ohren anders klingen würden. Nach unserem Eindruck bescheren gerade die großen Fanfarenstöße den eher kleinteiligen und sehr begrenzten Versuchen mehr Gegen- als Rückenwind, verstellen häufig die revolutionären Ansprüche den Blick für das tatsächlich machbare Mögliche.
Einerseits werden Erfahrungen linker beitragsökonomischer Strukturen der letzten Jahrzehnte leichtfertig ignoriert. Viele der ehemaligen besetzten Häuser und heutigen Hausprojekte wären schon längst Ruinen, eine große Anzahl Kollektivbetriebe und Landprojekte überhaupt nicht gegründet worden, selbst unsere AGB und RGW Beratungsarbeit hätte nie das Licht der Projektewelt erblickt, etc. hätten nicht wirtschaftlich wirksame Solidarnetzwerke zum Erfolg beigetragen, fern ab von Tausch und Bezahlung. Selbst in der bürgerlichen Welt werden viele Häuser errichtet, Ernten eingebracht, überschüssige Produkte verteilt sowie große gesellschaftliche Beiträge, z.B. in sozialen Initiativen, geleistet, denen kein expliziter Tausch von Äquivalenten zugrunde liegt. Das nichtkommerzielle Rad muss nicht neu erfunden werden, das Erfahrungswissen würde eine weniger illusionäre Verortung sehr fördern.
Andererseits limitiert der individuelle Reproduktionszwang, die verfügbaren Zeit- und Kraftressourcen der einzelnen Beteiligten für die Projekte. Viele Vorhaben sind dadurch personell unterbesetzt, wenig plan- und kalkulierbar und unterliegen einer häufigen Fluktuation. Kontinuität, Effektivität und langfristige Handlungsstrategien sind so kaum möglich. Die nichtkommerziellen Versuche bleiben nicht selten ein anspruchsvolles Freizeitvergnügen.
Und als drittes Element erfordern viele der Versuche dauerhaft zusätzliche Geldmittel, als dass sie Geldkreisläufe selbst im kleinen Umfang spürbar ersetzen würden. Und hängen so an dem Tropf in der Realwirtschaft erzielter Spenden, Löhne, Einkommen oder familiärer Unterstützung. Die Notwendigkeit für den Aufbau tragfähiger beitragsökonomischer Kreisläufe, über die unmittelbar Beteiligten hinaus, ist praktisch wenig gegeben.
Das alles sollte uns nicht davon abhalten immer wieder neue Versuche zu starten, TINA ist reine Propaganda. Wenn eine Initiative nicht gerade einen Kommune-Hintergrund oder ein kostenloses Grundstück nutzen kann, muss aus unserem Blickwinkel die individuelle Finanzierung der Beteiligten kollektiv mit eingebunden werden. Zumindest ansatzweise oder teilweise Gemeinsame Kassen zwischen den Aktiven sind ein wesentlicher Schlüssel für eine kalkulierbare Kontinuität und stabilere Weiterentwicklung in den Projekten. Das ist wiederum die Grundlage, um vom kleinen Oasenbetrieb auf eine irgendwie vernetzte Pipeline zu schielen.
Egal wie sich die Projekte ausformen, es sind in jedem Fall wertvolle Aktionsfelder, in denen sich Menschen beim gemeinsamen Handeln ohne unmittelbaren Verwertungs- und Profitzwang begegnen und erproben können! Darin liegt aus unserer Sicht der zentrale und außergewöhnliche Begründungskern. Wir können die Engagierten nur ermuntern sich darauf zu konzentrieren und die Erfahrungen ernsthaft zu kultivieren, d.h. auch gerne weiterzugeben! Zugegeben, die große Fahne zu schwenken ist spektakulärer, bewegt aber häufig leider nur viel Luft. Manchmal schmeckt der Keks halt doch besser als die ganze Bäckerei.