AGBeratung

Irgendwann muss Schluss sein…?

13.01.2025

Schade eigentlich, dass Kollektive und Gemeinschaftsprojekte insgesamt keinen ‚Reset-Knopf‘ haben. Denn ein Neustart kann sehr hilfreich sein und eine gute Lösung für aktuelle Situationen.

Das gilt besonders für langjährige Gruppen, doch bei weitem nicht nur. Uns begegnen u.a. Gemeinschaften, in denen ein kommunikativer Stillstand, ein verbissen betriebenes Alltagsgeschäft dominiert. Ein freudlose und resignierende Grundstimmung. Und das bei so fähigen, eigentlich engagierten und erfahrenen Beteiligten. Was ist da los?

In den Beratungsgesprächen werden uns wiederholt ähnliche Szenarien dargestellt: Lähmende Dauerkonflikte, die seit Jahren nicht gelöst wurden. Unveränderbar erscheinende Rollen- und Machtverteilung in der Gruppe. Halbherzige und ungewollte betriebliche Anpassungen auf Grund äußerer (u.a.finanzieller) Zwänge. Wenig Zeit und Energie Einzelner wegen umfangreichem Engagement auf anderen Baustellen. Fachliche Weiterentwicklungen finden keine unterstützende Mehrheit. Deprimierende und ergebnislose Plena zur Zukunft. Geldmangel als Normalzustand. Sprachlosigkeit in einem eingefahrenen und ereignisarmen Alltag, u.v.a.m. Als Gesamtbild also weit ab und gelegentlich sogar das Gegenteil vom ursprünglich Gewollten. Das mit soviel Überzeugung, Enthusiasmus und Solidargefühl gestartet und angestrebt wurde.

Wir nennen es dann eine stabile Schieflage in Projekten: Soll ich das jetzt alles aufgeben? Wo soll ich denn wohnen, wenn die Mieten ringsherum doppelt so teuer sind? Wie soll ich mein Geld verdienen? Noch einmal den Kraftakt mit einer neuen Gruppe? Ich habe schon soviel investiert! Was denkt mein Umfeld, wenn ich hinschmeiße? Ich überlasse das Projekt doch nicht den anderen! Die soziale Einbindung verlieren? – Wer will schon gerne scheitern? Alles nachvollziehbare Gründe, einfach weiterzumachen, trotz alledem und alledem….in stabiler Seitenlage.

Kaum eine Gemeinschaft denkt beim Aufbau von Projektstrukturen an ein mögliches Ende, ein späteres Scheitern. Ein gefühlsmäßiger Störfaktor und damit ein Tabu besonders in der emotionalen Startphase. Und wer individuell doch daran denkt, schert meistens schon vor Beginn aus. Allerdings gibt es vereinzelte und zunehmend mehr Gemeinschaften, die Scheiterkriterien bereits beim Gründungsakt definieren. Dadurch gibt es zumindest theoretisch eine Sollbruch-Stelle für das Vorhaben. Die eine Gruppe ggf. dazu nötigt, bei grundlegenden Weichenstellungen zumindest bewusst neu zu entscheiden. Verbunden mit einem Schiedsverfahren, ein durchaus wirksamer Prüfstein. Neben einfachen Ein- uns Ausstiegsregelungen.

Und das ist auch sehr gut und angemessen so. Denn eine durchgängig lebendige und gleichbleibend konsequente Grundstruktur ist eine Hoffnung, aber leider keine realistische Annahme. Warum auch, wenn sich im Laufe eines Projektlebens fast alles ändern wird und auch muss. Allein die Beteiligten ändern im Laufe der Zeit ihre Ziele, Bedürfnisse, Motivation, Meinungen, ihr Alltagsumfeld, ihre persönliche Ansprüche… zum Glück! Der gesellschaftliche, politische und marktbedingte Rahmen nimmt – zunehmend in einem schnellen Turnus und sehr oft fundamental – völlig andere Formen an. Und letztlich auch die konkreten projekt- und betriebsinternen Abläufe, z.B. auf Grund technisch-fachlicher Notwendigkeiten, Wandel in den Tätigkeits- und Aktionsfeldern, sowie Zielgruppen und den digitalen Herausforderungen. Alle drei Faktoren wirken tiefgreifend auf die Ziel- und Handlungsoptionen. Und erfordern eine anspruchsvolle und extreme Veränderungsbereitschaft, die oft nicht zu leisten ist. Jedenfalls nicht, wenn die Gründungsziele konsequent verfolgt werden. Und wenn für alle Beteiligten ein persönlich befriedigender und einvernehmlicher Umgang Bedingung ist.

Was ist also zu tun, wenn ich ‚mein‘ Projekt nicht mehr wiedererkenne, mich nicht mehr zu Hause fühle? Es kann an eine neu motivierte Gruppe abgegeben werden. Es kann ein zeitlich befristeter Transformationsprozess organisiert werden, z.B. unter Beteiligung Dritter. Es kann ein Projekt abschließend beendet werden. Oder durch ‚Zellteilung‘ Aufspaltung in zwei unterschiedliche weiterexistierende Projekte/Betriebe.

Welcher Weg auch immer passen könnte, es muss zunächst der Mut aufgebracht werden, einen Schlusspunkt gedanklich und praktisch zu setzen. Und damit die Schieflage zu konstatieren und den Prozess einer Veränderung unumgänglich zu etablieren. Nicht selten ist damit oft eine Erleichterung und gedankliche Öffnung bei den Beteiligten zu spüren. Denn der Karren muss nicht mehr zwangsweise mühsam weitergezogen werden. Und oftmals tritt genau dann die Frage in den Vordergrund: wie viel bedeutet mir das Projekt eigentlich, individuell und auch als Gruppe?

Wie wir als externe Berater*innen mit dem Scheitern unserer eigenen Bemühungen umgehen, könnte eine Fortsetzung sein……

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