Das müssen wir zusammen entscheiden…
05.03.2014Selbstverständlich gehören gemeinsame Entscheidungen, die gleichberechtigte Suche nach und die Auseinandersetzung mit Fragestellungen bzw. Problemen zum Gruppenalltag. Und noch viel mehr, es ist einer der sichtbaren Unterschiede egalitärer Strukturen zu allen hierarchischen Organisationsformen.
„Das müssen wir erst mal im Plenum besprechen“ ist deshalb eine völlig gängige Redewendung, die zu hören ist, wenn etwa die Unterstützung für eine politische Kampagne angefragt wird, ein unheilvoller Brief vom Finanzamt angeflattert kommt, eine große Investition ansteht oder die Änderung einer Raumnutzung im Hausprojekt auf der Tagesordnung stehen.
Ja sicher doch, gemeinsam sind wir clever, stark und vielseitig, wenn wir denn einig sind. Auf die geballte Weisheit und die ultimative Beschlusskompetenz der Projektplena wird gleichfalls sofort verwiesen, wenn Problemlagen erkennbar sind, bei Streitfällen untereinander, drohenden oder manifesten Meinungsdifferenzen, bei inhaltlichen Richtungsunterschieden oder beim Umgang mit einmaligen Ereignissen: „Das müssen wir zusammen entscheiden“ ist das Dogma.
Entscheiden schon, aber wie kommt eine Gruppe zu einer für alle tragbaren Lösung, die von allen auch bewusst umgesetzt wird? Und hier zeigt uns die Praxis, dass die Plenumskultur dafür nur sehr bedingt geeignet ist. Es kommen alle zusammen und dann fällt uns schon etwas ein?Das alleine ist kein Erfolgsrezept, um knifflige, besonders strittige oder sogar persönliche Konflikte angemessen zu lösen. Im Gegenteil. Das Plenum ist damit sehr oft überfordert, agiert in akuten Fällen selten mit gut durchdachten Beschlüssen, wird als Bühne von den Konfliktbeteiligten genutzt oder produziert oberflächlich schnell wirksame Maßnahmen, damit der nervende und gefährliche Zankapfel oder die Streithähne oder -hennen endlich vom Tisch sind.
Menschlich sehr verständlich, doch fern von einem solidarischen und gemeinschaftlichen Umgang. Und oft noch ferner von den eigentlich vorhandenen sozialen und fachlichen Ressourcen der Gruppe. Nicht selten schlägt auf Plena dann die Stunde der Schnellen, der Lauten, der Kompromissfinder_innen, der Wortgewaltigen, die – in bester Absicht – trotzdem leider Hierarchien informell rekultivieren.
Etliche Projekte haben diese langjährigen Erfahrungen umgemünzt, ergänzende Wege der Kommunikation gefunden und sie im kollektiven Alltag implantiert. Dabei spielt die thematische Vorbereitung vor einem Plenum oder größeren Treffen eine der entscheidenden Rollen. Wurden unterschiedliche Zielvorstellungen vorher schon mal genauer und praxisnah ausgearbeitet, haben einige Mitstreiter_innen konkrete Vorschläge angedacht und vorbereitetet, haben die Streitparteien u.a. mit Begleitung ihren Konflikt schon mal angeschaut und präzisiert, haben Gruppenmitglieder fachlich und sachlich zum Thema recherchiert oder wurde einfach mal das nächste Kollektiv um die Ecke zu einem Problem befragt?
Ob alleine, zu zweit oder als kleine AG, die ganze Gruppe wird euch dankbar sein, wenn im Vorfeld anstehenden Themen oder Fragen verantwortlich nachgegangen werden. Denn es muss nicht mehr nur auf die heilende Spontaneität, die kreative Zufälligkeit, letztlich auf die allmächtige Erlösung durch ein Plenum gehofft werden.
Gemeinschaften können mehr! Doch Gruppen bestehen ausschließlich aus Individuen und können letztlich nur deren Fähigkeiten und Stärken bündeln und bekräftigen, doch (leider) keine „Neuen“ erfinden. Es kommt also auf jede/n Einzelnen an….