Das ist unser Haus….
25.06.2020….ihr kriegt uns hier nicht raus! So lautete der Refrain im legendären Song von Ton, Steine & Scherben, lange ist es her.
In den letzten Jahrzehnten ist nun eine sehr große Anzahl von Immobilien aller Art als formelles Gemeinschaftseigentum in Besitz genommen worden. Zwar sehr selten durch Besetzung oder vergleichbare Formen der Aneignung. Doch durchgängig stets mit der politischen Deklaration, auf diesem Weg Privateigentum dem spekulativen Immobilenmarkt dauerhaft und erfolgreich zu entziehen.
Entsprechend haben wir als externe Berater*innen mit Anfragen aus bestehenden und neuen Projektgruppen zu tun. Und bekommen dadurch Einblick in die internen Abläufe und Entwicklungen. Die sehen sehr verschieden und abwechselungsreich aus, was nicht unbedingt verwundert. Hat sich die erste Aufregung um die Finanzierung und den rechtlichen Kauf eines Hauses gelöst, treten die individuellen Vorstellungen und Wünsche der Beteiligten deutlicher in den Mittelpunkt. Die erste Härteprobe muss während der sich unvermeidlich anschließenden Sanierungs- und Umbauphase bestanden werden. Das gemeinsam erworbene Gruppeneigentum sieht sich z.B. Fragen der Sanierungsplanung, der Kosten, der baulichen Qualität, des Bauablaufes, des konkreten Nutzungskonzeptes und der Eigenleistung ausgesetzt. Fast alle zukünftigen Bewohner*innen, aber auch Planer*innen, Architekt*innen oder Ausführende Gewerke können davon ein mitunter sehr leidvolles Lied singen. Hat sich der erste Baustaub gelegt, treten spätestens die unterschiedlichen Ansprüche und Hoffnungen ins Rampenlicht. Also u.a. die Raumaufteilung, die Mietmodelle, die Aufteilung von öffentlicher, gemeinschaftlicher und privater Nutzung oder die betriebswirtschaftliche Organisation. Und dann als letzte Phase, der lange herbei gesehnte Lebens- und Wohnalltag, mit all seinen sozialen und menschlichen Gewohnheiten/Mentalitäten und gehegten Hoffnungen. Da bleiben Kompromisse, Enttäuschungen, das Ringen um Zusammenhalt und Einigkeit, sowie das Erkennen der Grenzen des Machbaren nicht aus.
Eine Menge Sollbruchstellen für Gruppen, die häufig Spuren hinterlassen bleiben. Mitunter können sie wahlweise lähmenden Stillstand, verdeckte oder offene, in den meisten Fällen jedoch zähe Konfliktlagen oder grassierende Fluktuation bescheren. – Bitte nicht falsch verstehen: wir beraten Häuser sehr intensiv und engagiert, halten Wohnprojekte politisch für unentbehrlich und wissen von sehr vielen gelungenen Gemeinschaften. Doch heute geht’s um ‚the backside of the moon’, mit der wir viel zu tun haben.
Besonders bei Wohnprojekten schleicht sich häufig kaum wahrnehmbar eine Haltung durch die Hintertür, die dem Umgang mit privatem Eigentum sehr ähnlich ist. Eigentlich passt jemand nicht mehr in das Haus, doch die hohen Mieten ringsherum verhindern Bewegung. Eine Müdigkeit über den eigentlich privaten Wohnbereich ständig debattieren und Zugeständnisse machen zu müssen, verleitet zu Abgrenzung und Rückzug. Öffentliche Raumnutzung wird zugunsten veränderter individueller Bedarfe reduziert. Die Einkommensschere der Bewohner*innen lässt solidarische Mietmodelle erodieren. Langjährige persönliche Animositäten erleichtert die Bildung von deutlichen Fraktionen. Und letztlich müssen auch noch ursprüngliche Ansprüche gegen gefühlte Veränderungen durch ‚Zugezogenen’ und Pragmatiker*innen eingefordert und verteidigt werden. Alles nicht so einfach und lustvoll.
Wie auch bei der Gründung z.B. von Solidarkassen oder Arbeitskollektiven, wird eine Gemeinschaftsimmobilien nicht alleine durch Beschluss auch kollektiv belebt. Bei allem Optimismus, der Weg zu einer lebensfähigen und erfreulichen Hausgemeinschaft ist sehr lang und mühsam. Das Wir unterschätzt und der Weg dorthin mit dem Ziel verwechselt. Diese Illusion wird sehr kräftig durch scheinbar schlaue Rechtsformen der Eigentumsgestaltung geschürt: ist die Gefahr der Reprivatisierung erstmal gebannt, sind wir auf der sicheren Seite. Der Rest wird sich schon finden…. leider nicht, denn das muss erst erlernt und praktisch erlebt werden. Gemeinschaftseigentum ist letztlich erstmal nur das Privateigentum von mehreren, nicht mehr und nicht weniger. Und es sind enorme und aufmerksame Anstrengungen erforderlich, damit der o.g. legendäre Song von Bewohner*innen nicht klammheimlich individuell leise neu gesummt wird: das ist mein Haus – ihr bekommt mich hier nicht raus!