AGBeratung

Das finde ich jetzt aber nicht so gut…

27.06.2014

Ich weiß nicht, ob es stimmt, dass es sehr vielen Mitstreiter_innen in Projekten so geht wie mir: ich streite mich eigentlich nicht besonders gerne in meiner Gruppe, es gibt jedenfalls leichtere Übungen. Und wenn ich mich so umsehe, dann finden wir in unseren Beratungssituationen oft zwei Versionen, wie sich interne Kritik und Meinungsunterschiede bemerkbar machen.

Zum einen: gar nicht. Die Gruppen wollen sich gerne einig sein oder sich zumindest so fühlen, sind besonders in Startphasen sehr um Homogenität bemüht. Allenfalls beteiligen sich nicht alle aktiv an Disputen, sondern schweigen bei bestimmten Themen. Zum anderen gibt es Projekte mit ‚Minenfeldern‘, ein Wort und schon geht mindestens ein_e Mitstreiter_in an die Decke, hagelt es nur so Widersprüche, gegenseitige Vorwürfe, o.ä. und gelegentlich herrscht auch hier Schweigen, denn mensch spricht einfach nicht mehr miteinander.

Vielleicht ist es nur die Klage des_der Beratenden, dem_der es ohnehin keine Gruppe recht machen kann. Denn in beiden Fällen kommt selten ein (selbst-)kritischer Prozess in Gang, kann eine fundierte Klärung oder produktive Diskussionen z.B. um Projektziele und besonders persönliche Differenzen im Umgang miteinander initiiert oder gefördert werden. Hartes Brot für externe Unterstützung und für die Beteiligten erst recht.

Denn uns begegnet als ein Hintergrund für diese Phänomene weit verbreitet ein Mangel in Projektgruppen: sich gegenseitig, persönlich kritisieren zu können. Und zwar in einer Form, die annehmbar und diskutabel ist. Es werden sehr häufig alle möglichen Um- und Auswege im Alltag gesucht, um ungeliebtes, störendes oder kränkendes Verhalten nicht persönlich ansprechen zu müssen. ‚Ich wollte nicht überlegen wirken‘, ‚Ich dachte es geht nur mir so‘, ‚Ich wollte kein_e Besserwisser_in sein‘ oder ‚Ich befürchte meine Kritik fällt irgendwann auf mich zurück‘. So ähnlich werden uns häufig die Gründe genannt, wenn wir bei manifesten Konflikten versuchen zu rekonstruieren, warum gerade persönliche Kritik so hartnäckig und über lange Zeiträume unter der Decke gehalten wurde. Nicht selten so lange, bis bei irgendeinem nichtigen Anlass der Korken unwiderruflich aus der Flasche springt…und gelegentlich nicht wieder gefunden wird.

Wir müssen gleichfalls erkennen, dass ausgesprochene Kritik wenig angemessen aufgenommen wird, sondern verbreitet als grundsätzliche Ablehnung oder Infragestellung der ganzen Person erlebt wird. Entsprechend heftig fallen die Reaktionen aus, obwohl oftmals nur das Verhalten in einer bestimmten Situation oder ein provozierend wirkende Aussage in Rede steht. Und so lädt sich dadurch eine kritische Bemerkung in Windeseile emotional auf und gewinnt mitunter eine völlig übertriebene Dramatik, die dem konkreten Geschehen in keiner Weise gerecht wird. Und somit schwer oder gar nicht mehr von der Gruppe ‚eingefangen‘ werden kann.

Zu allem Übel können die Menschen, die sich direkt und spontan kritisch äußern, in eine dominante Rolle geraten. Andere Gruppenmitglieder fühlen sich dem nicht gewachsen oder unterlegen. Und dabei sagt Kritik viel über uns selber aus, lässt häufig erkennen, was jede_r individuell wünscht, sich vorstellt und/oder darin enttäuscht wird. Und das sollte doch im Mittelpunkt stehen.

Kritik und Selbstkritik, diese Elemente gehören zum unverzichtbaren Fundament jedes gemeinschaftlichen Vorhabens, soll es denn dauerhaft gelingen. Das wurde uns nicht allen unbedingt mit in die Wiege gelegt, sondern muss (wieder) erlernt werden, während die Kritik an Staat, Steuern, Kapitalismus und Globalisierung meistens gut ausgebildet ist.

Dabei hilft der inzwischen gut gefüllte Werkzeugkasten mit vielfältigen Methoden von Gewaltfreier Kommunikation bis Radikale Therapie, mit und ohne Begleitung, um zu einem ausgewogenen, kritischen Umgang miteinander zu finden. Mut denen, die sich mit passenden Werkzeugen ausstatten wollen und Bestärkung für die, die bereits damit arbeiten. Es kann wirklich nur besser werden!