Copy und Paste
18.03.2022Vor allem Gründer*innen, jedoch auch bestehende Projekte, sehen sich zunehmend einer Lawine gegenüber. Einer Schwemme von Begriffen und Angeboten, die sich alternative Unternehmenskonzepte und Organisationsmodelle nennen. Und in der Tat hören sich die Überschriften für linksalternative Ohren interessant und animierend an: u.a. Social Entrepreneurs, Gemeinwohlunternehmen, Holo- oder Soziokratie, Agiles Management, Social Economy, Nachhaltiges Wirtschaften oder Purpose Unternehmen. Selbst die gute alte Genossenschaft feiert dabei nicht selten neue Urstände. Veröffentlicht und publiziert meistens von sehr verschiedenen Instituten, diversen Beratungsanbieter*innen, Vereinen, Anwält*innenbüros, Vereinigungen oder sonstigen Kompetenzzentren. Alle diese Konzepte und Modelle haben sehr unterschiedliche Ausrichtungen und definieren ihre Überschriften und Ziele mit einem eigenen und höchst unterschiedlichen Verständnis. Auch weil sie qualitativ auf sehr verschiedene Ebenen abzielen und Wirkungsweisen beinhalten.
Verbinden tun nahezu alle dieser Prinzipien: Es sind Versprechen. Ob ungewollt, ausdrücklich oder billigend in Kauf nehmend, werden sie automatisch mitgeliefert. Wenn eine Gruppe diesem Modell folgt oder als Richtschnur annimmt, gelingt das Vorhaben, das Unternehmen. So werden sie wiederholend von Anbieter*innen dargestellt und beworben. Die angewendete Methode bildet die Leitplanken für eine erfolgreiche Umsetzung. Eine Hoffnung, die uns der kapitalistische Markt als Dauerschleife seit Jahrzehnten suggerieren will. Nun also endlich eine Alternative?
Unbestritten ist: in allen diesen Konzepten stecken durchaus Anregungen, Ideen, Aspekte, Blick- und Handlungsweisen, die unterstützen und motivieren können. Es wäre arrogant diese in Bausch und Bogen zu ignorieren. In der Beratungsarbeit mit vielen Gruppen haben sie aber auch den Effekt, die eigene mühsame und oft widersprüchliche Projektentwicklung abzukürzen. Die oft sehr professionell dargestellten Unternehmenskonzepte bieten eine scheinbar universell anwendbare und erfolgsversprechende Lösung. Die vorhandenen Erfahrungen vieler anderer Kollektive, Projekte oder Gemeinschaften verblassen und werden deutlich entwertet. Es wird häufig sehr schnell übersehen, dass die propagierten Organisationen zwar alle eine irgendwie geformte Partizipation und Nachhaltigkeit beinhalten. Jedoch genauso durchgehend keine wirksame Gleichberechtigung, Entscheidungsbeteiligung oder Gemeinschaftseigentum an Betrieb und Produkten. Jedenfalls nicht als selbstverständliche Ausgangslage.
So haben wir in Beratungsprozessen mit einer wachsenden Zahl von Menschen zu tun, die uns mit entsprechenden Vorstellungen, vermittelt über Dr. Google und Co., gegenüber sitzen. Diese vorgefertigten Vorstellungen und Bilder versperren in aller Regel den Blick auf die eigenen Ressourcen, die Interessen und Motive der Beteiligten. Es wird die zentrale Findungsphase in der Entwicklung von Gemeinschaften kanalisiert, anstatt die Herangehensweise aus der Mitte zu favorisieren. Ein unverzichtbarer Baustein für den Zusammenhalt, für bestehende und sich gerade gründende Gruppen. Besonders Letztere lenkt die voreilige Übernahme von scheinbar marktgängigen Organisationsformen oft von der Grundsatzfrage ab: (Ver-)trauen wir uns wirklich zu starten?
Und die sollten alle Gruppen in ihrem autonomen Entscheidungsbereich behalten, so lange es geht. Und nicht von Rezepturen abhängig werden. Auch wenn es verführerisch einfach klingen mag, nach so manchem anstrengenden und stockenden Gruppentreffen… Es ist und bleibt eine trügerische Hoffnung. Neben allen unbestrittenen hilfreichen Anregungen durch bereits ausgearbeitete Methoden, bleibt es bei unserer langjährigen Erkenntnis: Erst der (eigene) Inhalt – dann die (passende) Form!
Wilfried Schwarz