Bist du dir da sicher?
09.11.2017Das Thema Sicherheit taucht in Beratungen immer wieder auf. In ganz verschiedenen Zusammenhängen, z.B. bei der Frage der Haftung, bei der Frage nach der “richtigen” Rechtsform für das Projekt, oder dem Wunsch sich abzusichern dagegen, dass jemand aus der eigenen Gruppe sich Geld aus der Kasse nimmt, sich nicht an Vereinbarungen gehalten wird, oder die politischen Ideen verwässern, oder bei der Hoffnung, den einen Plan für die Projektentwicklung zu finden, mit dem man auf Nummer sicher geht.
Das ist alles nicht weiter verwunderlich.
Etwas Neues anzufangen und auch noch mit anderen Menschen zusammen, bedeutet immer sich auf viel Ungewissheit einzulassen. Man kennt die Landschaft, die man da betritt noch nicht. Man weiß noch nicht, wie bergig sie ist, wo plötzlich Abhänge oder sogar Abgründe auftauchen. Es fühlt sich unsicher an, sich in etwas zu bewegen, was einem fremd ist. Und die Ausrüstung ist auch noch nicht erprobt, es ist noch unklar, ob sie den Belastungen standhält. Man kann sich vorher Karten angucken und einen Streckenplan erstellen – und sollte das auch. Man kann andere nach ihren Erfahrungen fragen, die in ähnlichem Gelände unterwegs waren und man kann erstmal mit kleineren Probeläufen anfangen. Und trotzdem merkt man erst, wenn man wirklich losgeht, ob die Schuhe drücken und ob die Landschaft den eigenen Vorstellungen entspricht. Und bei all dem gibt es keinerlei Garantie für das Wetter. Wenn es nun tagelang regnet? Wie gehen die anderen damit um, wie ich selbst? Wie reagieren wir, wenn es schwierig wird?
Manchmal gründen die Ängste und Unsicherheiten auf bestimmten Erfahrungen und es lohnt, sich darüber im Projekt auszutauschen, um ihnen dann konkret begegnen zu können. Oft gründen sie auch in unklaren Vorstellungen, z.B. wenn gar nicht klar ist, welche Haftungsrisiken für das eigene Projekt wirklich bestehen. Hier ist das Verlangen nach Sicherheit meist um so größer, je unklarer die Vorstellungen von den tatsächlichen Risiken und den eigenen Handlungsmöglichkeiten sind.
Das diffuse Knäuel der Angst vor finanziellen und juristischen Folgen auseinander zu pflücken und zu sortieren, schafft Abhilfe: Was genau könnte passieren, was könnten Konsequenzen sein, wann können und sollten wir handeln? Die unheimlichen Schatten werden meist kleiner, wenn man sie genau anguckt. Es ist nicht die Rechtsform, die einen hier rettet, sondern das Wissen um Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten.
Es gibt noch einen anderen Bereich, als Quelle der Unsicherheit: Der Umgang miteinander und mit den eigenen Vereinbarungen und Zielen. Hier wird mitunter Sicherheit mit Kontrolle verknüpft, im Grunde so wie wir es von staatlichen Sicherheitsdiskursen her kennen. Und den eigenen geäußerten Überzeugungen zum Trotz wird auf den Rechtsstaat zurückgegriffen, wenn Satzungen und andere Verträge einen selbst und die anderen Projektmitglieder von schädigendem Verhalten abhalten sollen. Nur: wenn ich das Papier brauche (z.B. eine Schiedsvereinbarung), um etwas zu verhindern oder durchzusetzen, ist es meist schon zu spät für das Gemeinsame im Projekt.
Der ehrliche Umgang miteinander, Motivation und Überzeugung ent- und bestehen nicht, indem sie festgeschrieben oder eingefordert werden. Die Sicherheit, dass wir uns aufeinander verlassen können, entsteht im Prozess. Die Sicherheit entsteht durch Vertrauen, aber Vertrauen wächst nicht durch formale Absicherungen.
Indem wir miteinander umgehen und uns Zeit nehmen, uns auszutauschen, entsteht die Klarheit darüber, was wir jeweils wollen, wo wir stehen, was uns umtreibt. Sich bewusst zu werden, über das, was man noch nicht übereinander weiß, was noch nicht sicher ist, ist hier ein sinnvoller Schritt. Sicherheit entsteht allmählich durchs Ausprobieren und Herantasten, damit eigene Wünsche auszusprechen, nachzufragen, um etwas zu bitten.
Mit allem, was miteinander geklärt und gemeinsam durchgestanden wird, wächst das Vertrauen. Reibungen und Irritationen und auch zu scheitern gehören dazu. Fehler sind dabei ein wichtiger Bestandteil von Prozessen.
Um Vertrauen und damit Sicherheit zu erfüllen, hilft es zu wissen, wie man auf die Füße fällt: Die Notausgänge zu kennen (werden wir im Notfall das Gelände auch wieder los?…) und eine Vielfalt an Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln (was können wir hier selbst tun, brauchen wir Unterstützung, wo kriegen wir die her?).
Es geht also nicht darum, es richtig zu machen, den richtigen Binnenvertrag, die richtige Rechtsform zu haben, sondern darum, mit den eigenen Instrumenten und mit dem Vertrauen in uns gegenseitig umgehen zu können.