AGBeratung

Alles gut gemeint….

04.04.2017

Wir als externe Berater_innen, Mediator_innen, Moderator_innen, etc., wie auch als außenstehende solidarische Unterstützer_innen von Gruppen und Gemeinschaften verfolgen durchgängig eine gute Absicht: zu einer stabilen, gemeinsamen Entschluss- und Handlungsfähigkeit beizutragen, die entschlossene Fortsetzung eines Vorhabens zu erreichen. Den unvermeidlichen Konflikten, Streitigkeiten, Ungenauigkeiten und Gegensätzen in Projekten begegnen wir mit einem gut gefüllten Bauchladen.

Es gibt keine menschliche Regung in Gemeinschaften, für die nicht ein passendes Instrument griffbereit in der Methoden-Werkzeugkiste zu liegen scheint: Achtsamkeitsübungen, moderierte Gespräche, Workshops zur gelungenen Kommunikation, Supervision oder letztlich eine universell heilende Rechtsform, um hier nur eine Mini-Auswahl anzudeuten. Alle Interventionen versuchen auf schlauen Wegen über Interessenausgleiche, Kompromisse und vor allem durch gegenseitigem Verstehen und Respektieren die verbindende Geschlossenheit zu reparieren bzw. wieder herzustellen. Schließlich meinen wir es gut mit den Gruppen!

Zweifelsohne, unsere gleichberechtigten und selbstorganisierten Unternehmungen verdienen (und benötigen) unsere größten Anstrengungen, so gut es irgend geht! – Selten, zu selten wird bei allen Unterstützungsaktivitäten offen erkennbar, dass es dabei auch um den eigenen Erfolg und Anerkennung von uns externen Berater_innen oder solidarischen Unterstützer_innen geht. Beim Auseinanderkrachen, der Beendigung oder der konfliktträchtigen Fortführung (die häufigste Variante) ‚unter unseren Händen’, trotz unserer Beratung oder Moderation, droht – bewusst oder gefühlt – der Beweis unserer mangelhaften Fachlichkeit oder Fähigkeit. Auch wenn wir das selber nicht so bewerten, liefert dieses Urteil spätestens das interessierte Projektumfeld nach: einfach schlecht beraten oder zu wenig solidarisch unterstützt zu haben. Das hört niemand gerne. Es treibt somit als verdeckte Motivation zu einem einseitigen und gelegentlich unangebrachten Positivismus. Nicht nur in der Contraste lesen wir auch deshalb lieber Erfolgsstorys.

Wir übersehen dabei sehr gerne, dass Gemeinschaft u.a. eine begrenzte Haltbarkeit an einem Ort, in einer personellen Zusammensetzung, für ein Ziel oder zu einer Zeit hat. Die eigenen Erkenntnisse, Lebensbedingungen, individuellen Neuausrichtungen, politische oder wirtschaftliche Anforderungen und Gefahren, das alles ändert sich persönlich und gesellschaftlich. Die Aufrechterhaltung einer konstruktiven Kontinuität im Kollektiv hat somit ein Ablaufdatum, muss sich immer wieder neu erfinden und gründen.

Wir wollen eigentlich nicht wahrhaben, dass Kollektivität u.a., neben der von uns allen geliebten Emanzipation, Solidarität und Selbstbestimmung, auch zum Nachlassen der Zivilcourage und der persönlichen Entschlussfreudigkeit beiträgt (leider). Der permanent bemühte Konsens, der Dauerlauf angestrebter Übereinstimmung im Kollektiv und die ausdauertrainierte und kultivierte Einsicht in die Einigkeit als Notwendigkeit zum Handeln, fördert nicht automatisch Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit.

Und letztlich nehmen wir nur ungern zur Kenntnis, dass Gemeinschaften u.a. seit Jahrzehnten viele Menschen anzieht, die im Wesentlichen durch den Wunsch des sozialen Dazugehörens motiviert sind. Das Gut-aufgehoben-sein und die Kompensation von selbstempfundenen Schwächen ist die Motivation. Und nicht in erster Linie das mutige und experimentelle Voranschreiten zu neuen Ufern.

Somit ist der oft heftige und wiederkehrende Streit in Gruppen der Normal- und Regelfall. Er ist notwendig, um die Ausrichtung einer Gemeinschaft für alle Beteiligten konstruktiv und tatsächlich kollektiv neu zu gestalten und anzupassen. Die dabei auftretenden Gegensätze sind somit (häufig) notwendige Risse im Gebälk, die nicht zu kitten sind, nicht gekittet werden dürfen. Die Begleitung durch Außenstehende bei der Auflösung, Trennung oder Beendigung von Strukturen und Projekten, ist so mitunter die Vorbereitung für einen besser passenden und wieder entschlossen vorangetriebenen neuen Versuch. Auch wenn es schwer fällt und unseren Hoffnungen widerstrebt. Nicht immer, aber auch!