Nur Mut, es kann besser werden…

Externe Projektberatung wird auch oft in Anspruch genommen, wenn ein bedrückender oder offenbar nicht auflösbarer Konflikt verortet wurde. Einzelne in einer oder eine ganze Gemeinschaft berichten uns dann: „Wir kommen einfach nicht weiter….“.

Jede*r kennt diese Situationen, in welcher selbstorganisierten und gleichberechtigten Gruppe auch immer. Oftmals aus einem nebensächlich erscheinendem Anlass entwickelt sich ein Streit. Dieser kann um sich greifen und erfasst nicht selten als Flächenbrand das gesamte Projekt. Das Scheiß-Corona-Virus war dazu nie nötig, doch verschärft es bereits bestehende Widersprüchlichkeiten zusätzlich. Sie treten auch dadurch noch schärfer, polarisierend und deutlicher zutage. Soweit unsere Eindrücke (nicht nur) aus den Projekten.

Der Stoff für Streitigkeiten wird von uns selber laufend selber hergestellt, das liegt in der Natur unserer Vorhaben. Die Rahmenbedingung für Projekte ändern sich, wie auch die Lebensbedingungen der Einzelnen im Laufe der Zeit. Ursprüngliche Projektziele werden durch den Alltag geschliffen, unterschiedliche Kompetenzen gerinnen zu informellen Hierarchien, aktuelle Ereignisse erfordern schnelles Handeln und finanzielle Engpässe führen zu Gestaltungszwängen. Und weil der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt aller Gemeinschaftsprojekte steht, werden die unterschiedlichsten Biografien, Sozialisationen, Charaktere, Ansprüche und Gefühle eingebracht. Davon hat jede*r recht viel zu bieten. Und letztlich steht jedes Gruppenfundament auf den individuellen Kompromissen ihrer Mitglieder….muss auch deshalb ständig neu justiert werden.

Einvernehmliche Reaktionen auf diese vielschichtigen und permanenten Veränderungen kann kein Ensemble der Welt störungsfrei laufend herbeiführen. Streit, um Aktionsformen, Betriebsausrichtungen, Selbstverständnisse, Kommunikationswege, Verantwortungen, persönliche Gegensätze, usw. sind unvermeidlich. Einzelne verlassen schweigend, enttäuscht, klammheimlich oder hörbar das Ensemble im Laufe der Zeit und brechen auf zu neuen Ufern. Eine ungewollte und zeitweilige Entlastung der Gemeinschaft von anstrengenden Auseinandersetzungen.

Egal welcher konkrete Anlass zu einem heftigen Konflikt geführt hat, eines begegnet uns fast immer: die Ursprünge des Streits liegen ausnahmslos lange zurück, wurden z.T. seit vielen Jahren durch die Gruppe getragen, ausgehalten, tabuisiert, bagatellisiert oder irgendwie akzeptiert. Oft in der guten Absicht, den Gruppenzusammenhalt nicht zu gefährden oder vor Angst möglicher Folgen. Sicher gut gemeint, doch das Gefühlsfeuer wird dadurch richtig geschürt! – Das schlägt sich häufig in der Heftigkeit, der Unerbittlichkeit, der fehlenden Kompromissbereitschaft, letztlich in der Ausweglosigkeit nieder. Persönliche, politische, ökonomische oder soziale Unterschiede und Widersprüchlichkeiten werden zu lange unter’m Deckel gehalten, nicht offen ausgesprochen und benannt. Dadurch können diese im Hintergrund und unterhalb der Gruppenoberfläche ihr Unwesen treiben: Kränkungen vertiefen, Gegnerschaften kultivieren, Ärger auftürmen, Feindbilder ausmalen und ‚Schuldige’ identifizieren. Und das völlig ungestört und ausgiebig. Entsprechend kommen die externen Versuche einer Einigung zu einer sinnvollen Lösung im Kern regelmäßig viel zu spät. Es ist bereits zu viel Geschirr zerschlagen, viel zu viele Empfindungen zu lange verletzt worden.

Neben den ganzen vorhandenen Interventionstechniken, von Supervision, Moderation, Beratung, Coaching und Mediation, bis hin zu Schiedsverfahren und Befindlichkeitsrunden, bleibt es schlussendlich dem Mut von allen Beteiligten überlassen: Unklarheiten zeitnah ansprechen, Gegensätze früh kenntlich machen, Meinungsänderungen aktuell benennen und vor allem persönlichen Ärger bzw. Enttäuschungen der Gruppe zumuten. Dann steigen zumindest die Chancen für eine fairen Umgang damit. Und eine zweite Erkenntnis: keine Gruppe kommt langfristig nur mit eigenen Kräften schadlos über diese Klippen. Wenn sie schon unvermeidlich erscheinen, dann bitte mit Mut, Plan und wirksamen Mitteln umschiffen!