Allein machen sie dich ein….?
07.04.2016Nur gemeinsam sind wir stark! – Ich habe jedenfalls in den Beratschlagungen mit Hunderten von Gruppen und Initiativen in unserem Büro niemanden gefunden, der/die diesem Leitspruch widersprochen hätte. Nur fünf Finger bilden die Faust, eine fast schon historische Wahrheit. Warum ist diese Tatsache gerade beim projektübergreifenden Zusammenwirken in Kollektiven und Gemeinschaftsprojekten nur so wenig angekommen?
Natürlich kennt jede_r Leute aus anderen Projekten, läuft sich bei Demos, Feiern oder Veranstaltungen über den Weg oder legt Flyer von benachbarten Initiativen aus. Ich meine mit Zusammenwirken auch nicht, die große Zahl von Kongressen, Vorträgen, Podien oder Büchern, die unter dem Banner ‚Solidarische Ökonomie’ auf ansehnliches Interesse stoßen.
Und letztlich auch nicht die wiederkehrenden Versuche auf Grundlage der Branchen (z.B. Fahrräder, Druck, Gartenbau), der Rechtsformen (z.B. Genossenschaft), des Immobilienbesitzes oder eines einheitlichen Statuts auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Die sog. Netzwerke bleiben fast immer auf den Überbau beschränkt, erreichen wenn überhaupt nur kurzzeitig die Praxisebene, haben nur punktuell lebendigen Bezug zur Basis und werden nicht selten von den sicher gut gemeinten Absichten und Funktionen einiger Aktive organisiert. Wir wissen wovon wir reden: unsere Beratungsarbeit wurde für lange Zeit vom Kollektiven Betriebeverbund RGW organisiert, bis ehrlicherweise das umbenannte RGW Beratungsbüro Berlin daraus erwuchs.
Mit extrem wenigen Ausnahmen (z.B. die politischen Kommunen) erkennen wir somit im kollektiven Alltag der Projekte so gut wie keine strukturellen und verlässlichen Formen der Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten, jedenfalls mit wirklich ökonomischem, finanziellen, organisatorischem oder politischem Tiefgang, dauerhaft und tragfähig. Ein kompletter Widerspruch zu den täglichen Beratungsinhalten, in denen die Erfahrungen der ‚anderen’ ständig und jederzeit im Mittelpunkt stehen, häufig sogar die Motivation und Entwicklung von Initiativen prägend bestimmen und sehr gefragt sind. Es mangelt keinesfalls am Wollen oder an der Einsicht, dass ein konsequentes Wirken über den eigenen Tellerrand hinaus in der Selbstverwaltung nicht nur sinnvoll, sondern sogar notwendig ist. Was sitzt da so hartnäckig quer, dass es selbst in Berlin mit seiner hohen Projektedichte ca. 15 Jahre brauchte, um überhaupt mal wieder und wenigstens ein halbwegs regelmäßiges und übergreifendes Kollektive-Treffen zu etablieren.
Aus unserer Sicht können wir aus der Beratungspraxis einige Hindernisse identifizieren, die uns immer wieder begegnen: Eine Gruppe besteht bekanntlich aus Individuen und die haben bekanntermaßen sehr persönliche Motive bei ihrem Eintreten in eine Gemeinschaft. Und die zielen u.a. auf fachliches Lernen, soziale Zugehörigkeit, ökonomische Sicherheit oder politische Wirksamkeit, nicht automatisch auf das Drehen großer Räder in übergreifenden Wirtschaftsstrukturen und Kooperationen. Somit ist es in aller Regel ohnehin höchstens nur ein Teilinteresse in Gruppen, dem entsprechend nur wenige Einzelne motiviert nachgehen, die im besten Fall dazu delegiert werden. Daraus entwickelt sich häufig ein internes Außenministerium, das für diese Fragen zuständig ist, das zu Treffen geht und davon berichtet. Das führt quasi leider automatisch zu einer Formalisierung und Entfernung der übergreifenden Arbeit, denn es treffen/arbeiten nicht d i e Kollektive, sondern einzelne Interessierte aus Kollektiven. Und so gestaltet sich dann auch der inhaltliche Rückfluss sehr oft zu einem Rinnsal.
Neben der Schwerfälligkeit der Entscheidungsfindung in den einzelnen Kollektiven, die jeglicher übergreifender Basisarbeit eine große Geduldsamkeit abverlangt, gibt es aber auch den alltäglichen hohen Arbeitsdruck in den Projekten, die Zeitknappheit, die Überlastung und die hochtrabenden Ansprüche im Vergleich zu unseren kurzen Beinen. Und zu allem Überfluss soll ich dann noch zusätzliche Mühen und Energien in eine wage Netzwerkidee stecken, die mich erstmal nicht aktuell entlastet, sondern im Gegenteil, auch noch den letzten freien Abend belegt. Und zum Schluss sehen wir auch, dass besonders in Kollektivbetrieben die Einzelnen ihre sozialen oder politischen Aktivitäten ohnehin in anderen ‚Zusammenhängen’ ansiedeln. Somit ist das wirtschaftliche Gemeinschaftsprojekt gar nicht (mehr) die Basis und der Ausgangspunkt für weitergehendes und nach außen wirkendes Engagement.
Aus unsere Sicht bleibt auf dem Weg zu einer wirklich bedarfsorientierten, praktischen und alltagstauglichen Zusammenarbeit zwischen selbstverwalteten linken Projekten und Gruppen richtig viel Luft nach oben und das nicht erst seit gestern. Und diese Kooperation sind aus unserer Sicht politisch überlebensnotwendig. Doch für heute muss in der Kolumne der analytische Teil reichen. Ausreichend Gelegenheit für alle Leser_innen mit uns zusammen in einen Ideenwettbewerb zu diesem Thema einzusteigen, oder?